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Lasst die Schweine raus oder schwierige Kompromisse 2020

Warum bewegt mich das Thema Kastenstand so?

Seit ich 2012 das im Kastenstand verletzte Ferkel Happy kennenlernte und begann, mich mit Sauenhaltung generell zu beschäftigen, hat mich dieses Thema nicht losgelassen. Daher fühle ich mich den Schweinen und allen Tieren in der sogenannten landwirtschaftlichen Nutztierhaltung verpflichtet. Happy und all die anderen Schweine und Rinder, die wir damals kennenlernten,  läuteten für mich und meinen Mann Volker, letztendlich den Beginn unseres veganen Lebens sowie den Beginn des politischen Einsatzes für Tiere in der Landwirtschaft bei den Grünen und im Bund Naturschutz ein.

 

Der 3. Juli 2020, mitten im Corona Sommer, steht für die Haltung der Sauen im Kastenstand, für einen hoffentlich stattfindenden Wendepunkt.  Genauer wissen wir es erst in der Zukunft.

 

Kritisch betrachtet geht der Kompromiss, dem meine Grünen im Bundesrat gestern  zustimmten nach wie vor auf Kosten der Tiere und geht mir und vielen Tierschützer*innen & Tierrechtler*innen nicht weit genug.

Doch -es geht weiter. Wir bleiben dran, auch die Grünen, da bin ich mir sehr sicher - Happy, das verspreche ich Dir.


mEine Einordnung

Seit mehreren Wochen beherrscht erneut das Thema  Sauenhaltung und Kastenstand das NETZ und die öffentliche Diskussion.

 

Nach mehrfacher Vertagung hat der Bundesrat am Freitag, 3. Juli eine Entscheidung zur Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung und damit zur Haltung von Sauen im Kastenstand getroffen. Eine Neuregelung wurde erreicht.

 

Es gab jetzt einen neuen Kompromissvorschlag aus Nordrhein-Westfalen, der zum ersten Mal das von Tierschützer*innen geforderte Ende der Kastenstandhaltung ins Spiel brachte. Ein achtjährige Übergangsfrist ist vorgesehen, jedoch nur für die Abschaffung des Kastenstands im Deckbereich; die Gruppenhaltung muss etabliert werden.

Der Abferkelbereich wird ausgeklammert, die Übergangsfristen sind viel zu lang und das Magdeburger Urteil, nachdem sich ein Schwein im Kasten umdrehen und ausstrecken können muss (und damit auch schlafen kann), wird nur unzureichend umgesetzt.

Dies kann jetzt einen Systemwechsel einläuten, wovon Robert Habeck unser Bundesvorsitzender, überzeugt ist. Dies wird meiner Ansicht nach nur gelingen wenn sich langfristig die Mehrheitsverhältnisse grundlegend ändern und damit eine grundsätzliche Änderung der Agrarpolitik möglich wird.

Kompromisse sind auf realpolitischer Ebene unser tägliches Brot. Da der Tierschutz, geschweige denn Tierrechte, auf der politischen Agenda der Union nicht oberste Priorität genießt, haben die Parteien, denen der Schutz und die Rechte der Tiere ein großes Anliegen ist, keine bzw. kaum Mehrheiten. Dies betrifft  neben den GRÜNEN,  in Teilen die SPD und Die LINKE.

Das ist täglich aufs Neue bitter, ist jedoch leider so.

Einige feiern diese Entscheidung jetzt als Sieg, andere sind am Boden zerstört. 

Politisch betrachtet verstehe ich, dass ein Teilsieg errungen wurde - Frau Ministerin Julia Klöckner konnte ihre Vorstellung von einem "Weiter wie bisher..." nicht durchsetzen. Eine Neuausrichtung wurde gestern eingeläutet; die jedoch jetzt umgesetzt und finanziert werden muss.  Auch wenn im Deckbereich rascher bessere Zustände umgesetzt werden, die Kritik am Kompromiss richtet sich eindeutig gegen die viel zu langen Übergangsfristen und das Weglassen einer Neureglung für den Abferkelbereich.

Als Tierrechtlerin entsetzt mich die Grundhaltung der Ministerin erneut; ja der gesamten Union im Bundestag. Denn nur durch deren starre Haltung bezüglich der Neuregelung, der Nutztier Haltungsverordnung für Schweine, musste dieser, in meinen Augen NOT-Kompromiss geschlossen werden, um Schlimmeres zu verhindern. Ich kann verstehen, dass die Grünen in Verantwortung größtenteils so entschieden haben. Ob diese Strategie richtig ist, ob sie zum Ziel der tatsächlichen Systemwende, des Lichts am Horizont für ein Ende der Kastenstände, führt, wird uns Allen erst die Zukunft zeigen.

Ich habe da so meine Zweifel. Allerdings bin ich davon überzeugt, dass die Verhandler*innen DAS rausgeholt haben, WAS rauszuholen war zum jetzigen Zeitpunkt. Bitter genug.

Unser Tierschutzgesetz (welches bei Nutztieren seltenst bis gar nicht umgesetzt wird) sieht die körperliche Unversehrtheit der Tiere vor. Dieses geltende Recht wird seit Jahren wörtlich mit Füßen getreten. Nach wie vor werden die Tiere in der sogenannten Nutztierhaltung den Ställen angepasst, den betriebswirtschaftlichen Bedingungen, die sich als Industrie in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat. Systemindustrielle Strukturen setzten sich durch, von der Ferkelerzeugung bis hin zur Schlachtung. Die aktuelle Diskussion rund um Tönnies und die unmenschliche Lohnsklaverei in dessen Schlachtfabriken werfen unter der Corona Pandemie ein Schlaglicht auf die gesamte Branche und bringt sie grundsätzlich ins Wanken.

Politisch erhoffe ich mir, dass sich tatsächlich langfristig die Mehrheiten und gesellschaftlichen Überzeugungen so verändern, dass die Kastenstände generell aus den Ställen fliegen. Tiere in der Landwirtschaft leben dann in Zukunft für die Menschen, die nach wie vor tierische Lebensmittel essen, in Gruppen und so wie es ihrer Art entspricht, mit Zugang ins Freie und Kontakt mit Artgenossen, sofortiger medizinischer Versorgung; Abschaffung der Tiertransporte und Tötung auf der Weide oder auf dem Hof. Zudem müssen Lebensmittel auch das kosten, was sie an ökologischen Kosten tatsächlich verursachen. Billig Lebensmittel, insbesondere tierliche Lebensmittel müssen vom Markt verschwinden; ebenso wie Exporte und Tiertransporte, länger wie eine Stunde. Tiere in der Landwirtschaft dürfen nicht länger Objekte sein. 

Dies gelingt nur mit einer klaren Vision davon, welche Landwirtschaft wir tatsächlich wollen und dem politischen Willen sowie Mehrheiten dies auch umzusetzen. Der Betriebswirtschaft hier das Zepter zu überlassen, auch das zeigt sowohl die Klima-, als auch die Corona Krise, führt uns weiter an den Abgrund und beutet Menschen und Tiere aus. 

 

Heidi Terpoorten, 4. Juli 2020

 

 

Meine Kommentare auf Facebook gebe ich Euch hier wieder, da sie authentisch meine Reaktionen, der ersten Diskussionen widerspiegeln:

3.07.20

Ich bin absolut nicht einverstanden - und hoffe jetzt zum Einen dennoch auf die Justiz/ auf die Normenkontrollklage der Rot Rot Grünen Regierung Berlin, veränderte Mehrheiten im Bund (Bundestagswahl)-denn im Bundestag werden die Gesetze gemacht und damit, dass die Rechnung aufgeht! Dass die Grünen diesem, in meinen Augen faulen Kompromiss zum Ausstieg aus dem Kastenstand zugestimmt haben, hat zum aller größten Teil unsere Agrarlobbyministerin Julia Klöckner zu verantworten.

Für die Schweine wünsche ich mir, dass es tatsächlich zu einem Systemwechsel kommt. Der andere Systemwechsel läuft bereits! Immer mehr Menschen wenden sich ab und beschäftigen sich mit Eigenanbau von Lebensmitteln, und testen pflanzliche Burger, Würstle und Co....

 

Meine Antwort auf eine Frage warum die Grünen wohl zugestimmt haben:

....Sie (Ministerin Klöckner) wollte den Ausstieg generell nicht! Die Agrarpolitik hat ausschließlich Frau Klöckner zu verantworten. Dass die Verantwortlichen der Grünen dies als einzigen Weg sehen, liegt nach meiner Ansicht vor allem an den UN-MÖGLICHKEITEN, die Frau Klöckner ermöglicht/ bzw. nicht ermöglicht hat mit ihrem Gesetzesvorhaben - den Kastenstand eben nicht zu verbannen. So wie ich die Stellungnahmen begreife, wollten die GRÜNEN jedoch den absoluten Beginn des Ausstiegs. Ich bin, wie ich geschrieben habe, hier anderer Meinung, war jedoch wie Viele hier von uns, nicht bei den Verhandlungen dabei und weiß nicht, was passiert wäre wenn die Grünen sich gegen den jetzigen Kompromiss gestellt hätten...der jetzige Kompromiss ist ja Verhandlungsergebnis. Ich hoffe inständig, dass die "Rechnung" aufgeht und der grundsätzliche Systemwechsel schneller geht. Die GRÜNEN sowie die SPD und die Linken, die die Agrarpolitik der Union in weiten Teilen ablehnen, sind aktuell nicht in der Mehrheit, besitzen daher die Macht nicht, Grundsätzliches allein zu verändern.

Ferkel im Gras
Happy - ein teilgelähmtes Ferkel

Grüne Bayern

Das sagen die bayerischen Grünen zur gestrigen Neuregelung

"Durch den heutigen Kompromiss zur Tierschutz-Nutztierhalteverordnung wurde in einem Teilbereich der Sauenhaltung eine Neuregelung erreicht. Diese ist eine kleine und bei weitem nicht ausreichende Verbesserung. Besonders die Umbaufristen sind für uns viel zu lang. Aber ohne Zugeständnisse wäre der Systemwechsel wohl gar nicht gelungen, es bliebe beim Kastenstand im Deckzentrum. Der Kompromissmuss somit der Startschuss für weitere Verbesserungen in der Tierhaltung sein, die den Schwung einer neuen, tierwohlorientierten Haltung in breiten Teilen unserer Gesellschaft aufgreift und mutige Schritte in Richtung echtes Tierwohl und einer Schweinehaltung ausschließlich in Gruppen geht. Wir Grüne streiten im Bund deshalb weiter für umfassend gute Haltungsbedingungen für Schweine und alle anderen Tiere, für eine klare und verbindliche Haltungskennzeichnung, einer dauerhafte Finanzierung des Umbaus und eine ökologischere und tierschutzorientiertere Verwendung der europäischen Agrarmittel. Aber auch die Vermeidung von Tiertransporten und wassergefährdenden Gülle-Importen sind für uns wichtige Anliegen..."

Schweine auf Stroh
glückliche Schweine, die leben dürfen

Infos aus der BAG Tierschutzpolitik

Grüne Bundesebene

Viele Jahre war ich Mitglied in der BAG Tierschutzpolitik und vertrat die Grünen aus Bayern - daher bin ich froh, hier diese kritische Stellungnahme zu lesen:

 

Zusammenschau der kritischen Auseinandersetzung, beteiligt auch mehrerer Tierärzt*innen & Tierrechtler*innen, :

„Der Kompromissvorschlag vom 1. Juli 2020 wie auch die vorausgegangenen, sind im Bundesrat abzulehnen aus folgenden drei Hauptgründen:

1. Der Kastenstand wird im Abferkelbereich nicht nur für 15 bis 17 Jahre in seiner aktuellen Form beibehalten, er kann dann auch danach in der neuen Form gebaut werden. Damit wird der Kastenstand für mindestens 35 Jahre (2055) zementiert, denn solange haben dann neue Ställe Bestandsschutz. So funktioniert keine grüne Agrarwende, die bis 2037 kommen sollte.

2. Der Rechtsstaat wird missachtet. Das Magdeburger Urteil wird umgangen und damit missachtet. Die Schweine können ihre Beine nicht ausstrecken, weil andere Sauen im Weg liegen, aber nur bauliche Hindernisse im neuen Entwurf zählen sollen.

3. Im Deckzentrum wird der Kastenstand fast abgeschafft, aber die Gruppenhaltung und der sich anschließende Wartebereich werden so löchrig vorgegeben, dass auch hier ein ähnlicher Effekt wie bei Legehennen einsetzen wird, die aus dem Käfig in eine katastrophale Bodenhaltung kamen, weil man keine ordentliche Bodenhaltung vorschreiben wollte.

Zusatzgrund:
Dieser Kompromiss ist für Tierschützer*innen nicht nur ein Versagen der Exekutiven sondern auch der Legislativen und die Grünen machen nun mit. Und das ohne Not kurz vor der Bundestagswahl.
Daher, ein Kompromiss, der nicht wenigstens innerhalb von 8 Jahren einen Komplettausstieg aus dem Kastenstand im Deckzentrum und Abferkelbereich vorsieht, ist mit einer grünen Agrarwende nicht vereinbar und immer abzulehnen.

 


Stimmen der VErbände und Orgas

 

Albert Schweitzer Stiftung: 

...

"Schweinemütter, die in engen Metallkäfigen nahezu bewegungsunfähig ihre Ferkel stillen, Sauen, die dicht an dicht in Metallboxen nebeneinanderstehen – diese schrecklichen Bilder verbinden viele Menschen mit dem Wort »Kastenstand«. Der Bundesrat hat heute darüber entschieden, dass dieses Bild noch lange Realität bleiben wird...."

https://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/kastenstaende-kein-herz-fuer-schweine

 

 

 

Campact:

620 000 Stimmen gegen die Qual der Schweine - WIR waren erfolgreich:

https://www.campact.de/presse/mitteilung/20200702-pm-erfolg-fuer-campact/

 

 

Deutscher Tierschutzbund:

....."Der NRW-Kompromiss bedarf Nachbesserung
Trotz aller positiven Entwicklungen sehen die Tierschützer Nachbesserungsbedarf an dem neuen Kompromissvorschlag. So würde das 2015 gefällte sogenannte Magdeburger Urteil nur in Teilen umgesetzt: Denn die Vorgabe, dass Sauen ihre Gliedmaßen ungehindert ausstrecken können müssen, soll lediglich für bauliche Hindernisse gelten, die entsprechend aus dem Weg geräumt werden müssen. Zudem klammert der Kompromissvorschlag die Kastenstandhaltung im Abferkelbereich aus, bezieht sich lediglich auf den Deckbereich. „Aus Tierschutzsicht ist klar: Es braucht ein Ende der Kastenstandhaltung – nicht nur im Deckbereich, sondern auch im Abferkelbereich. Auch vor dem Hintergrund der aktuellen Skandale wird immer deutlicher, dass das System der Schweinehaltung einen grundsätzlichen Systemwechsel braucht, nicht nur für die Sauen und Ferkel. Das beharrliche Festhalten der Bundesministerin an tierschutzwidrigen Kastenständen lässt Zweifel, ob das erkannt wurde.“"

mehr:

https://www.tierschutzbund.de/news-storage/landwirtschaft/010720-bundesratsentscheid-zur-kastenstandhaltung-von-sauen-am-37/

 

 

 

 

 


Machen ist wie wollen. Nur krasser.

 

für Happy und all die anderen....

Ferkel in der Wiese
neugierige Ferkel im Freien

Machen ist wie wollen. nur krasser.






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